18. Juni 2016
Stakeholder-Analyse für die Website-Planung nutzen
Projektumfeld während der Website-Konzeption klären
Mach Dir einen Plan
Ja, mach nur einen Plan
sei nur ein großes Licht
und mach dann noch 'nen zweiten Plan
gehn tun sie beide nicht.Bertolt Brecht, Dreigroschenoper
Woran Planungen scheitern: Unklarheiten und Ungeduld
Wenn ein Plan nicht funktioniert, so liegt das meistens an einer schlechten Planerstellung und nicht an der Realität. Ein starrer Plan, zu eng getaktet ohne ausreichende Puffer, Phantasiezahlen als Grundlage, keine alternativen Wege und Methoden, kein Durchspielen von verschiedenen Szenarien, schlechte Kommunikation und mangelhafter Informationsfluss. Und besonders entscheidend: Unklarheiten über das Ziel und die Aufgaben. Dann ergibt sich oft ein Bild von nicht zu bewältigender Komplexität.
Meine eigene Erfahrung aus vielen Projekten hat mir gezeigt, dass ungenau und ungeduldig geplant wird. Wie oft habe ich den Satz gehört: „Genug geredet, wir wollen jetzt endlich anfangen!“ Das hat zur Folge, dass Korrekturen in der Umsetzungsphase vorgenommen werden müssen, was kosten- und zeitintensiv ist.
Bedeutung von Planung
Daher ist präzise Planung bei jedem Projekt so wichtig. Es kostet anfangs viel Mühe und Zeit, spart aber später umso mehr Ressourcen. In der Planung lassen sich die Dinge leichter, schneller und kostensparender ändern als in der Umsetzungsphase.
If you don’t get agreement up front, prepare for more work later.
Abby Corvert: How to Make Sense of Any Mess
Es geht darum, sich Klarheit darüber zu verschaffen,
- welche Ziele
- auf welchen Wegen
- mit welchen Mitteln erreicht werden sollen und
- wer dabei welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten übernimmt.
Rollende Planung
Planvoll vorgehen heißt nicht, jede Kleinigkeit und jede Eventualität auf ein Blatt Papier zu bringen, sondern bewusst vorzugehen: Schritt für Schritt von Meilenstein zu Meilenstein ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren. Kurz gesagt, es geht um die Reduzierung von Komplexität.
Daher bevorzuge ich bei Projekten eine rollende Planung: die Unterteilung eines Vorhabens in überschaubare Abschnitte, die jeweils konkret und präzise geplant werden, wenn sie anstehen; das langfristige Ziel wird grob geplant, kurzfristige Zwischenziele werden detailliert geplant.
Ein nützliches Instrument, um mehr Klarheit über Gruppen, Personen und Kontext eines Projektes zu erhalten, ist die Stakeholder-Analyse, die ich im Zusammenhang mit der Konzeption einer Website vorstellen möchte.
Das Instrument Stakeholder-Analyse
Immer wenn es darum geht, mehr als eine Person an einem Projekt zu beteiligten, ist die Stakeholder-Analyse eine geeignete Methode, um herauszufinden, welche Personen und Organisationen mit welchen Interessen hier mitspielen.
Stakeholder
Personen, Gruppen, Institutionen und Organisationen, die Interessen, Ansprüche, Erwartungen an die Tätigkeit und Entwicklung eines Unternehmens haben oder von dessen Tätigkeit und Entwicklung betroffen sind.
Fragestellungen
Bereits im Prozess der Zielklärung eines Projekts stellen sich folgende Fragen:
- In welchem sozialen System bewegt sich das Vorhaben?
- Welche Personen, Gruppen und Institutionen bilden das soziale System?
- Welche Kräfteverhältnisse existieren im sozialen System des Vorhabens?
- Wer hat welchen Einfluss auf das Projekt?
- Wie wichtig sind die einzelnen Stakeholder?
Hinsichtlich der Stakeholder sollte klar sein, wie die einzelnen Stakeholder zum Projekt stehen:
- Wer hat in Bezug auf das Vorhaben welche Vorteile, Interessen, Erwartungen, Befürchtungen, Nachteile?
- Wer wird positiv, wer neutral, wer negativ auf das Projekt reagieren? Gibt es Personen, die es unterstützen (Promoter), gibt es Personen, die es scheitern lassen möchten?
- Wer besitzt welche (Macht-)Befugnisse, wie können sie sich auf das Vorhaben auswirken?
Dann können wir auch entscheiden, wie wir mit den Stakeholdern umgehen wollen:
- Wie können Förderer des Vorhabens gestärkt werden?
- Wie können unentschlossene Stakeholder aktiviert werden?
- Wie können Widersacher des Vorhabens gewonnen werden?
- Wie können Widersacher neutralisiert werden?
Ein praktisches Beispiel
Spielen wir die Stakeholer-Analyse einmal anhand eines fiktiven Beispiels durch. Wir beschränken uns auf eine kleine Firma mit nur wenigen Abteilungen. Als externe Stakeholder führen wir hier nur die wichtigsten Instanzen an. Es handelt sich um ein mittelgroßes Unternehmen (50 Beschäftigte), das Lampen und Leuchten für Büros und Haushalte herstellt.
Szenario
Vor sechs Jahren wurde eine neue Website veröffentlicht, die auch einen Onlineshop beinhaltete. Seit dieser Zeit wurden lediglich Artikel und deren Beschreibungen aktualisiert.
Die Geschäftsleitung hat in Absprache mit den Abteilungsleitungen beschlossen, die Website zu erneuern und an die Ausgabe für mobile Geräte anzupassen. Für diesen Relaunch der Website wurde die Internetagentur „TasticDesign“ beauftragt, die auch schon die alte Website gestaltet hatte.
Die Stakeholder
Nach einem Zielklärungs-Workshop mit den Führungskräften des Unternehmens setzte man sich bei TasticDesign zusammen, um sich einen Überblick über die Situation beim Kunden zu verschaffen.
Interne Stakeholder
Zuerst wurden die wichtigsten internen Stakeholder identifiziert.
- Geschäftsführung
- Marketing
- Produktion
- Verkauf
Bewertung der internen Stakeholder
Der Workshop zeigte, dass die Geschäftsführung und das Marketing voll hinter dem Projekt stehen, während die Produktion eine eher abwartende Haltung einnimmt und die Verkaufsabteilung eine explizit negative Meinung vertritt.
Dann wird die Abteilung „Verkauf“ ein wenig genauer unter die Lupe genommen. Auf dem Workshop wurde klar, dass der Leiter Verkauf eine negative Haltung zum Projekt, zur Marketing-Abteilung und zur Agentur TasticDesign hat.
Interessenlagen
Die Website hat aus Sicht des Verkaufs bislang mehr Ärger eingebracht als dass sie geholfen hätte. Die Verkaufszahlen sind in den letzten fünf Jahren nur leicht gestiegen; die Beschwerden über die Website haben nach Berichten der Kundenbetreuung (Teil der Verkaufsabteilung) in dieser Zeit enorm zugenommen.
Die Meinung der Verkaufsabteilung zum Marketing:
Aus der Marketing-Abteilung kamen nur wenig wirksame Sprüche und Floskeln, keine Texte, die die Kunden wirklich ansprechen. Die Marketeers halten die Kunden für ausgemachte Deppen.
Die Meinung der Verkaufsabteilung zum externen Dienstleister Internetagentur TasticDesign:
Die Internetagentur hatte mehr das schicke Design im Kopf als die Bedürfnisse der Kunden. Auf dieser Website wird kaum jemand dazu gebracht, tiefer in die Seite zu klicken oder gar den „Kaufen-Button“ zu drücken. Gibt es den überhaupt? Die können Design, aber keine Internetseiten.
TasticDesign schließt daraus:
- Zwischen Verkauf und Marketing besteht ein Konflikt.
- Verkauf wünscht sich eine strikt am Content orientierte Website-Gestaltung.
Strategie
Die Agentur TasticDesign entscheidet, den Stakeholder „Verkauf“ besonders intensiv zu bearbeiten. Stete Information, Einbeziehung bei allen Schritten, Ideenaustausch im Vorfeld der Erarbeitung von Prototypen und Designentwürfen. Falls der Leiter Verkauf nicht gewonnen werden kann, sollte er neutralisiert werden.
Dazu werden anlassbezogen Workshops und Meetings durchgeführt.
Das Marketing soll als Promoter für das Website-Projekt gewonnen werden.
Die Geschäftsführung wird regelmäßig und exklusiv über den Fortgang des Projekts informiert. Sie hat zwar großen Einfluss, kann aber erfahrungsgemäß rasch das Interesse verlieren.
Die Ergebnisse wurden bei TasticDesign in einer Tabelle festgehalten:
Übersicht: Umgang mit den internen Stakeholdern
Stakeholder für Website Redesign - intern
Geschäftsführung
Bewertung
Einfluss: sehr hoch
Einstellung: positiv
Verkauf
Bewertung
Einfluss: hoch
Einstellung: negativ
Marketing
Bewertung
Einfluss: hoch
Einstellung: positiv
Produktion
Bewertung
Einfluss: mittel
Einstellung: neutral
Externe Stakeholder
Die externen Stakeholder, die in den Fokus der Analyse geraten können, sind:
- Kundinnen und Kunden, User der Website
- Lieferanten
- Konkurrenten
- Behörden (Finanzamt, Gewerbeamt, Umweltamt, Bauamt, ...)
Im Zentrum: Die KundInnen
Die Agentur TasticDesign befasste sich besonders intensiv mit den Usern der Website und den Kundinnen und Kunden des Unternehmens.
Erwartungen und Bedürfnisse
Eine Befragung ausgewählter Kunden und Kundinnen zur Website, die von der Marketing-Abteilung durchgeführt worden war, hatte ergeben, dass es für diese Personen oft schwierig war, sich auf der Seite zurechtzufinden. Die Website wurde als- unübersichtlich
- überladen
- wenig einladend
bezeichnet. Einige Links führten ins Nirgendwo. Die Artikel hatten keine vernünftige Ordnung und die Preisliste war nur sehr schwer zu finden. Auf Smartphones war nur eine verkleinerte Seite zu sehen – hier war es unmöglich, mit den Fingern zu navigieren, da die Links und Buttons viel zu klein waren.
Die Kundinnen und Kunden wünschten sich eine bessere Funktionalität und eine einfache Bedienung und klare Navigation. Besserer und schnellerer Service und mehr Zahlungsmöglichkeiten standen ebenfalls auf der Wunschliste der Kundinnen und Kunden.
Strategie
Bei TasticDesign wurde folgende Strategie vereinbart:
Konkurrenzanalyse durchführen: Wen gibt es auf dem Markt, wie agiert die Konkurrenz, wie stellt sie sich on- und offline dar?
Intensive Einbeziehung der User und Kundinnen und Kunden bei der Website-Entwicklung durch Interviews, Entwicklung von Personas und Usability-Tests.
Übersicht: Umgang mit den externen Stakeholdern
Stakeholder für Website Redesign - extern
User/KundInnen
Bewertung
Einfluss: sehr hoch
Einstellung: eher positiv
Konkurrenten
Bewertung
Einfluss: hoch
Einstellung: negativ
Lieferanten
Bewertung
Einfluss: gering
Einstellung: neutral
Behörden
Bewertung
Einfluss: gering
Einstellung: neutral
Aufgefallen? Die Agentur hat sich selbst nicht als internen Stakeholder definiert, aber auch nicht als externen! Es wäre hilfreich, wenn die Agentur dies nachholen würde!
Stakeholder-Analyse – Vier-Felder-Matrix
Schließlich wurde zur besseren Übersicht noch eine Stakeholder-Matrix angelegt. Hier wurden die wichtigsten Stakeholder gemäß der Stakeholder-Analyse eingetragen nach den Kriterien „Einflussstärke“ und „Einstellung zum Projekt“.
Folgende Fragen wurden dabei herangezogen:
Welche Personen sind für unser Projekt förderlich oder hinderlich, welche sind wichtig und welche sind unwichtig?
Grafik: imarketinx.de
Ergebnis: Eine rasche Einordnung der unterschiedlichen Stakeholder im Projekt – damit kein Stakeholder je vergessen wird.
Links
Ausführliche Darstellung einer : Stakeholderanalyse.
Weshalb und woran IT-Projekte scheitern können - Beispiele bei Computerwoche und Johner-Institut.
Mehr zum Thema "Rollende Planung" im Projektmagazin und Gabler Wirtschaftslexikon.
--> Zum Download des Artikels Stakeholder-Analyse für die Website-Planung nutzen